Mit IT2School den Forscherdrang wecken

Ein Interview mit Lilian Knobel

IT2School ist ein Mitmachprojekt der Wissensfabrik - Unternehmen für Deutschland e.V., durch welches Kinder und Jugendliche spielerisch die Grundlagen der Informationstechnologie kennenlernen und erfahren, wie sie diese kompetent nutzen. Wir freuen uns, dass wir nun auch die Unterrichtsmaterialien von Code your Life für das zukunftsweisende Projekt zur Verfügung stellen dürfen.

Lilian Knobel, Geschäftsführerin und Vorstandsvorsitzende der Wissensfabrik, spricht mit uns im Interview über IT2School und warum der Aufbau von IT-Kompetenzen ein zentraler Baustein in der Bildung sein sollte.
Code your life
Frau Knobel, die Nutzung neuer Medien hat sich durch die Digitalisierung noch einmal stark gewandelt. Welche Anforderungen sehen Sie dabei für die heranwachsende Generation?

Die Digitalisierung verändert unser Zusammenleben. Sie formt unser Wissen und bringt uns miteinander in Kontakt: Im Auto wollen wir auf das Navi nicht mehr verzichten, ein Leben ohne Whatsapp können sich viele von uns gar nicht mehr vorstellen. Aus den Augen meiner Töchter betrachtet, ist die Digitalisierung unseres Lebens und Arbeitens das neue Normale, da gibt es gar keine Fragezeichen.

Aber nur weil man vielleicht privat Youtube-Videos schaut oder Whatsapp-Nachrichten schickt, versteht man noch lange nicht die Technik dahinter. Wir müssen unsere Kinder und Jugendliche digital souverän machen, damit sie die Hintergründe der Informationstechnologie verstehen. Denn die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien wird in unserem Lebens- und Arbeitsalltag immer wichtiger. Deshalb sollten Kinder in der Schule lernen, digitale Medien nicht nur zu nutzen, sondern auch zu verstehen und selbstbestimmt zu gestalten.

Wieso kommt der Schule als Institution eine solch große Bedeutung zu bei der Vermittlung von IT-Kompetenzen?

In der Schule sollen unsere Kinder auf das Leben vorbereitet werden. Und die Digitalisierung ist ein großer Teil dieses Lebens geworden. Die Vermittlung von IT-Kompetenzen ist also für uns alle von Bedeutung. Deshalb ist es Aufgabe der Schulen, Kinder und Jugendlichen dabei zu helfen, die digitale Welt zu verstehen.

Dabei geht es gar nicht darum, in der Schule künftige Programmierer auszubilden. Es geht vielmehr um neue Anforderungen an die Allgemeinbildung. Wir alle haben ausreichend Ahnung von Mathematik, Literatur, Geschichte und Chemie und kommen damit gut durchs Leben. Eine solche Grundbildung brauchen unsere Kinder nun auch zu digitalen Themen.

Was liegt da näher als ein eigenes Unterrichtsfach für Digitale Bildung? Allerdings haben die meisten Lehrkräfte keine informatische Bildung, der didaktische Umgang mit der Informationstechnologie muss in der Lehreraus- und Weiterbildung deshalb eine viel größere Rolle spielen. Die Technik in Form von Laptops, Smartboards oder auch Apps bereitzustellen, ist aber nur ein Teil. An vielen Schulen fehlen ganzheitliche Konzepte, um Schülern die so nötige Medienkompetenz zu vermitteln. Da werden Bildungseinrichtungen in meinen Augen oftmals allein gelassen. Hier ist die Politik gefragt! Die Länder müssen digitale Lernkonzepte entwickeln.

Mit dem Bildungsprojekt „IT2School“ haben Sie das erklärte Ziel, Schülerinnen und Schüler an Informationstechnologien aus ihrem Alltag heranzuführen. Wie ermöglichen Sie das?

Bei unserem IT-Projekt IT2School geht es darum, hinter die Kulissen der IT zu schauen. Das Projekt gibt Einblick in Themen wie Kommunikation, Daten, Programmiersprache und das Zusammenspiel von Hard- und Software. So können Mädchen und Jungen Informationstechnologie im Unterricht spielerisch erforschen.

IT2School besteht aus verschiedenen Modulen unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade. Alle Module sind in der Grund- und weiterführenden Schule flexibel einsetzbar. Die Handbücher und haptischen Materialien sind von Prof. Dr. Ira Diethelm vom Lehrstuhl Didaktik der Informatik an der Universität Oldenburg gemeinsam mit der Wissensfabrik erstellt worden. Sie können auch von Lehrern ohne IT-Fachkenntnissen leicht im Unterricht umgesetzt werden.

Einige Module von IT2School kommen ganz ohne Bildschirme aus. Bei der Entwicklung des Projektes war es uns wichtig, Informationstechnologie auch analog zu vermitteln. Denn von den Rauchzeichen der Indianer über das Fax hin zu Einsen und Nullen ist es eigentlich kein großer Schritt. Außerdem kann digitale Bildung nicht darauf warten, dass Schulen mit der nötigen Hardware ausgestattet werden. Dort, wo IT2School Computer nutzt, geht es um das Verstehen und Gestalten von Informationstechnologie. Denn Wischen auf Bildschirmen ist noch keine IT-Kompetenz.
Welche IT-Themen sind für Kinder besonders spannend?

Kinder haben von Natur aus Lust auf Zukunft. Sie sind voller Neugier, Mut und Offenheit – immer auf der Suche nach einer neuen Idee und wollen die Welt verstehen. Diesen Forscherdrang greifen wir mit IT2School bewusst auf. Mit einfachen technischen Experimenten, Rollenspielen und gemeinsamen Entwicklungsprojekten machen wir die Kinder-Fragen zu technologischen Zusammenhänge anschaulich und erlebbar. Im Projekt gehen die Kinder zum Beispiel den Fragen nach: Wie funktioniert das Internet? Was liest der Supermarkt-Scanner aus dem Strichcode? Wie geht eigentlich 3D-Druck?

Das Besondere an IT2School ist, dass die Schüler immer einen „Ach so“-Moment erleben und eine Geschichte mit nach Hause nehmen können. Schon mit unserem ersten Modul: Hier geht es um die Übertragung von Informationen und um Codierung. Dazu lassen wir die Kinder Informationen blinzelnd übertragen. Das heißt: Ein Kind sagt das Alphabet auf, das andere Kind blinzelt beim richtigen Buchstaben. So können auch Grundschüler schon kurze Wörter wie „Hund“, „Katze“ oder „Maus“ blinzelnd übertragen. Das ist ein Einstieg in die Welt von Algorithmen und Codes, der hängen bleibt.

Bei unseren Projekten steht nicht alleine das Wissen im Vordergrund. Die gemeinsame Projektarbeit fördert Kreativität und experimentell-spielerisches Entdecken. Kinder schaffen eigene Werke, auf die sie stolz sein können. Sie werden zu Experten, die IT nicht nur kennen, sondern können. IT2School unterstützt Kinder dabei, Erfahrungen zu sammeln und Selbstvertrauen zu gewinnen, in einer Phase, in der sie absolut offen für solche Themen sind.

Was empfehlen Sie weniger IT-affinen Lehrkräften oder Eltern, die Kinder trotzdem in Ihrer Kompetenzentwicklung unterstützen möchten?

Mut und Entdeckergeist! Stürzt euch, gemeinsam mit euren Kindern oder Schülern, in die spannende Welt der Informationstechnologie! IT2School bietet für Jeden den richtigen Einstieg. Denn bei der Projektentwicklung haben wir mit der Methode des Design Thinking gearbeitet und unterschiedliche Bedürfnisse und vielfältige Nutzergruppen berücksichtigt. Die verschiedenen Module haben unterschiedliche Schwierigkeitsgrade, die didaktischen Materialien sind leicht verständlich und können kostenfrei über unsere Website heruntergeladen werden. Deshalb werden auch nicht IT-affine Lehrer oder Eltern ihren Spaß beim digitalen Experimentieren haben!

Wo sehen Sie noch ungenutzte Potenziale bei der IT-Bildung an Schulen? Wo muss noch vorgedacht werden?

Es braucht ein klares Bekenntnis zum Digitalen! Digitale Kompetenzen lassen sich nun mal schwer alleine mit Tafel und Kreide aufbauen. Das fängt bei der ausreichenden IT-Ausstattung in Schulen an. Hier haben wir in Deutschland noch Nachholbedarf, wie die aktuelle Vergleichsstudie „Bildungsmonitor 2018“ ermittelt hat. Informatik-Unterricht muss früh und kontinuierlich in die Lehrpläne. Dazu gehört aber auch, dass Lehrer genügend Freiräume haben, um Neues ausprobieren zu können und selbst dazu zu lernen. Ihre Aufgabe wird mehr und mehr sein, Kinder als Mentor auf ihrem Lernweg zu begleiten und ihre Begeisterung für Neues zu fördern.

Außerdem brauchen wir ein Umdenken in der Bildung! Denn unsere Lebenswelten verschmelzen zunehmend. Bildung findet heute nicht mehr nur in den klassischen Bildungseinrichtungen statt. Jeder trägt seinen Teil dazu bei, dass junge Menschen ihre Potenziale entdecken und entfalten können. Das passiert im Sportverein, genauso wie im Freundeskreis, in der Ausbildung oder in der Familie. Wir brauchen daher eine stärkere Vernetzung der Lernorte. Die Wissensfabrik bildet eine Plattform, die Schulen und Wirtschaft in unterschiedlichen Projekten zusammenbringt. Dabei geht es nicht nur um die Vernetzung von Theorie und Praxiswissen. Die Zusammenarbeit mit Unternehmen in einer Bildungspartnerschaft zeigt den Schülern beispielsweise das vielfältige Einsatzgebiet der Informationstechnologie und trägt dazu bei, eine IT-offene Gesellschaft zu schaffen.

Code your life

Zur Person

Lilian Knobel ist seit Juli 2018 Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführerin der Wissensfabrik – Unternehmen für Deutschland e.V. Die Juristin war zuvor bei der BASF SE tätig, wo sie zuletzt das Business Management Alcohols and Solvents geleitet hat.

Über ihre Arbeit bei der Wissensfabrik sagt sie: „Ich glaube fest daran, dass es Deutschland guttut, mehr Begeisterung als bisher für Naturwissenschaften, Technik und Informatik zu wecken. Und auch das Unternehmertum braucht deutlich mehr Unterstützung, damit dieses Land die wirtschaftlichen Potenziale für eine erfolgreiche Zukunft heben kann“.